Vera Schneider spricht mir als Mutter in ihrem Artikel in der Süddeutschen Zeitung vom 17.02.2022 „Schule zum Schämen“ aus dem Herzen. Anstatt nach der Erfahrung geschlossener Schulen und ersten Online-Unterrichtversuchen im Frühjahr 2020, alle Ursachen zu reflektieren und diesen entgegenzuwirken domminiert die Meinung in Politik und Medien „Lernen funktioniert für alle nur präsent in der Schule“. Dabei profitierten sicherlich ¼ aller Schüler und Schülerinnen von digitalem Lernen.
Sie arbeiten selbstbestimmt und -verantwortlich, sind intrinsisch motiviert, können ihr individuelles Lerntempo, Biorhythmus und Lernmethoden berücksichtigen, sind konzentrierter in ungestörter häuslicher Lernatmosphäre, besondere Herausforderungen (LRS, AVWS, Authismus …) treten in den Hintergrund.
Wollen wir diesen Schüler:innen Ihre Vorteile wieder nehmen, weil ein größerer Teil diese Art des selbstorganisierten Lernens (noch) nicht üben und sich selbst dahingehen reflektieren konnte?
Oder wäre es sinnvoll und zukunftsorientiert, in sozialem, hybriden Miteinander diese Kompetenz, die nebenbei aus meiner Sicht eine der wichtigsten Schlüsselqualifikationen für den späteren beruflichen Erfolg ist, miteinander und voneinander zu erlernen?
Doch was genau bedeutet „Lernen“?
Lernen ist ein individueller, aktiver Prozess, bei welchem Wissen, Emotionen, Fertigkeiten, aber auch Verhalten, Einstellungen und Werte durch Erfahrungen verändert werden. Hierbei agiert die Person aktiv, indem sie ihre eigene Erfahrungs- und Erlebenswelt in den Lernprozess einbringt und dabei individuell vorhandenes Wissen und Können anpasst. D.h. wer über Lern-Kompetenz verfügt, kann Lernmethoden und Lerntechniken anwenden und ist bereit, sich neues Wissen selbstgesteuert anzueignen und anzuwenden.
Und wie kann man Lernen lernen?
Hier verweise ich gerne auf die Initiative
WirLernenOnline
(WLO), ein Zusammenschluss von Bündnis Freie Bildung, Wikimedia Deutschland e.V. und dem edu-sharing Network e.V. das gemeinschaftlich eine kostenfreie Mitmach-Lern-Plattform entwickelt. Ziel ist, über einfache Suche freie Bildungsmaterialien zur Verfügung zu stellen.
Das WLO-Fachportal „Lernen Lernen
fokussiert auf Theorie und Zusammenhänge, Inhalte und Arbeitsblätter sowie persönliche Tipps zum Thema Lernen und zeitgemäße Gestaltung von
Lehr-Lernprozessen.
Neben dem Kapitel „
Gehirn - wie funktioniert lernen“, liegt der Schwerpunkt auf dem Thema
Lernkompetenzen.
Lust zum Stöbern bekommen? Egal, ob Schüler:in, Lehrer:in, Refrendar:in, Mutter oder Vater, Oma oder Opa, hier ist für alle etwas Spannendes dabei … und weitere kuratierte Inhalte sollen folgen. Vielleicht ist es ja auch ganz schön altersübergreifend, z.B. in der Familie Lernpräferenzen zu reflektieren und neue Lernmethoden und -techniken gemeinsam auszuprobieren – auch die Eltern sind ja angehalten in ihrem Beruf weiter zu lernen.
Letztendlich ist nachhaltiges Lernen ein zeitintensives Auseinandersetzen mit und Vernetzen von Themen in unterschiedlichen Formaten, Medien und aufeinander aufbauenden Schwierigkeitsgraden.
Mit dem Wissen, dem Verstehen, dem AnwendenKönnen und dem NeuGestalten kommt der Spaß und die Lust auf mehr. Es ist die Art Freude, die man beim Bergsteigern und auf dem Gipfel stehend empfindet. Doch leider lässt Schule heute unseren Kindern nicht ihre Zeit zum wirksamen Lernen.
Oder was wissen Sie noch aus der Schule?
Stattdessen gibt es
BulimieLernen, das kurzfristige Auswendiglernen von Fakten, Formeln, Sachverhalten, Wissen etc. für eine Prüfung, Klausur, Klassenarbeit oder einen Test, die man relativ kurze Zeit danach wieder vergisst und dadurch mangels Übung und tiefgreifenderen Verständnis meist nicht auf ähnliche Probleme anwenden kann. Mit dieser Lernmethode ist es zwar möglich zu bestehen, der tatsächliche langfristige Lerneffekt ist jedoch gering bis gar nicht vorhanden … und Spaß macht es auch nicht.
Leider assoziieren noch sehr viele Erwachsene heute mit Lernen, dieses BulimieLernen aus der Schule, den damals empfundenen Stress und die individuelle Überforderung statt das Gefühl des Flows, in dessen Zustand man sich glücklich und zufrieden fühlt und der Ausbau von neuronalen Verbindungen durch die Ausschüttung von Hormonen begünstigt wird.
Dies hat natürlich auch zur Folge, dass Lernen – lebenslang – eher nach Gefängnis und nicht nach persönlicher Entwicklung klingt und auch den Unternehmen mehr und mehr Kreativität und Kosten abverlangt, um Mitarbeitende für arbeitsbegleitendes, selbstgesteuertes Lernen zu ermuntern.
Mein Kredo lautet daher: Zeigt unseren Kindern, wie Lernen Spaß machen kann, gebt ihnen Zeit zum Lernen für individuellen Fortschritt und persönliche Entwicklung als Basis für ein lebensbegleitendes Lernen und Teilhabe an der Zukunftsgestaltung bis ins hohe Alter.
„Wer aufhört,
besser zu werden,
hat aufgehört,
gut zu sein.“
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